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Alte Tradition, Abenteuer inklusive

Veröffentlicht von B.K. am 04.04.2025

Auf der Walz: Vier Handwerksgesellen finden Unterschlupf für eine Nacht bei der Feuerwehr in Wilster


 

Handy gibt es nicht, den Weg finden die Handwerksgesellen noch per Landkarte, hier mit ihren Gastgebern in Wilster: (v. l.) Caro, Wehrführer Ralf Theede, Nils, Frank Rademann, Linda und Milan.

 „Wir leben eine Handwerkstradition“, sagt Milan (31). Er ist frei reisender Zimmermann und gerade mit Caro (29), Linda (24) und Nils (28) gemeinsam auf der Walz. Mit dem Ziel Hamburg, denn Caro, frei reisende Holzmechanikern, wird nach vier Jahren auf Wanderschaft nun in die Hansestadt zurückkehren. Und die anderen begleiteten sie auf dem Weg. Der führte die kleine Gruppe auch durch Wilster, wo die Gesellen in den Abendstunden einen Platz zum Übernachten suchten. Den fanden sie schließlich bei der Freiwilligen Feuerwehr Wilster.
„Das war Zufall“, sagte Wehrführer Ralf Theede schmunzelnd. Denn: „Wir hatten diese Woche gerade Dienstabend“, fügte Frank Rademann hinzu. Ihn sprachen die vier Handwerksgesellen an, ob er nicht einen Tipp hätte, wo sie für die Nacht unterkommen könnten. Für die Feuerwehrleute um Wehrführer Theede war es keine Frage, zu helfen.
Im Gemeinschaftsraum der Feuerwache wurden Feldbetten aufgestellt. Die Freude über das Übernachtungsangebot war groß, denn nicht immer habe man das Glück, auf Wanderschaft einen so komfortablen Schlafplatz zu finden, meinte Milan, der genauso wie Nils, ebenfalls frei reisender Zimmermann, schon seit fünf Jahren auf der Walz ist. „Manchmal bleibt einem auch nichts anderes übrig, als draußen schlafen zu müssen“, fügte Linda, fremde Tischlerin in der Zunft „Freier Begegnungsschacht“, hinzu. Sie machte sich vor einem Jahr auf den Weg, um wie die anderen die unterschiedlichsten Menschen, ihre Kulturen und natürlich Arbeitsweisen im Beruf kennenzulernen. Und wie alle Handwerksgesellen auf der Walz legte sie ihren Nachnamen ab, stellte sich mit Vornamen und Handwerksberuf vor.
Die Wanderjahre der Handwerksgesellen sind mit einigen Vorgaben verbunden: Für Reisen und Übernachtung beispielsweise dürfen die Gesellen kein Geld ausgeben. „Man spricht Leute an, ob sie einen Tipp oder auch eine Möglichkeit zum Übernachten haben“, erzählte Linda. Das klappt vielleicht nicht immer, aber doch oft. „Ich trete grundsätzlich allen Menschen offen gegenüber“, sagte die 24-Jährige. „Man findet immer jemanden, der hilfsbereit ist“, betont auch Milan. Auch für Caro und Nils ist besonders die Menschenkenntnis, die man über die Jahre entwickele, etwas Besonderes.
Kennengelernt haben die Vier sich auf einer Baustelle. „Und man begegnet sich auch immer wieder“, erzählte Caro. Zuletzt waren sie in Haselund in Nordfriesland, von wo aus sie den Weg Richtung Hamburg antraten. Dass sie dem Holzbaugewerk angehören, ist an ihrer schwarzen Kluft erkennbar. Grundsätzlich gilt: „Jedes traditionelle Handwerk geht auf Wanderschaft“, betonte Milan. „Wir unterscheiden uns alle in der Farbe der Kluft“, fügte Caro hinzu.
Das Interesse an der Motivation, über Jahre auf die Walz zu gehen, war bei den Feuerwehrleuten in Wilster groß. Rege Gespräche entwickelten sich und machten den Dienstabend für viele länger als gewohnt. „Ich finde es faszinierend“, so Wehrführer Theede. Denn die Handwerksgesellen halten sich strickt an die überlieferten Traditionen. „Wir sind gehalten, uns gut zu verhalten“, sagte Nils und meinte lächelnd: „Man kann uns bedenkenlos als Gäste aufnehmen.“ Sie dürfen sich mindestens drei Jahre und einen Tag lang höchstens bis auf 50 Kilometer der Heimatgemeinde nähern, sind ohne Handy, nur mit einer Landkarte ausgestattet, unterwegs.
Linda plant zum Beispiel, als Nächstes nach Schottland zu reisen, um dort Arbeit zu finden und die Menschen kennenzulernen. „Wie kommst du, ohne etwas für die Reise bezahlen zu dürfen, hin?“, wollte Wehrführer Theede wissen. Sie könne Autofahrer ansprechen, um mitzufahren, erzählte sie. Aber auch Zugfahrten und Flüge seien möglich, wenn jemand sie spendiere. „Viele Menschen sind uns gegenüber hilfsbereit“, erzählte Nils. Und diese Erfahrung nehme man auch für sich mit und werde anderen ebenfalls helfen, stimmte Milan zu.
Auch für ihn wird die Walz bald enden, er wird von Hamburg aus Richtung Kassel laufen. Natürlich sei nicht alles nur romantisch gewesen, sagte Caro, aber die Erfahrungen, die sie und die anderen sammelten, wollten sie nicht missen. Dankbar für Übernachtung und Frühstück, das Feuerwehrmann Christoph Kuhnke noch kurz vor seiner Arbeit brachte, ließen sie sich fröhlich verabschieden mit dem Gruß: „Fixe Tippelei“.


Text/Foto: shz Ilke Rosenburg


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